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15.04.07
Menschen in Beirut (4) Ruth Abcarius, Wahllibanesin seit 48 Jahren
"Gott, was habe ich alles erlebt! Den Krieg in Deutschland, die Kriege hier, die Invasionen der Israelis . das war mein Leben!"
Ruth Abcarius, 73, ist deutsche Journalistin, die sich der Liebe halber vor 48 Jahren fuer Beirut entschied.
Als sie 1955, 23-jaehrig, in London studierte, sprach ein libanesicher Ingenieur sie an einer Bushalteselle ang. Der ersten Dinereinladung folgten Rendezvous, er ging wieder in den Libanon, ein reger Briefwechsel entstand. Wohlbedacht besuchte sie ihn zwei Jahre spaeter in seiner Heimat. Von dem Leben an der Levante, dem Glamour und der Exotik, die der Libanon, die damalige "Schweiz des Orients" verspruehte, war sie begeistert. Entschlossen tauschte Ruth ihre deutsche Existenz gegen ein spannendes Leben mit den Reichen und Schoenen seiner Zeit. Die Eltern rieten ab, zu weit der Libanon, zu unbekannt. Doch das wollte die abenteuerlustige junge Frau nicht hoeren.
1959 wurde geheiratet.
In den noblen Hotels an der Corniche, der Strandpromenade von Beirut, traf die huebsche blonde Journalistin mit dem frechen Kurzhaarschnitt den internationalen Jet Set. †ber fast jeden, der im mondaenen "Paris des Ostens" residierte. Sie berichtete fuer die deutsche und die lokale Presse ueber alle gesellschaftlichen Ereignissen, schrieb auf Englisch und Franzoesisch. Fotos
zeigen sie mit Horst Buchholz, Charles Aznavour, Curd Juergens.
Der 1960 geborene Sohn und die drei Jahre spaeter geborene Tochter spielen auf den alten Schwarz-wei§-Fotografien den Kashoggi-Kindern. Familie Abcarius wohnte in einer schoenen Villa. Man geno§ das Leben; das Paar ging oft aus, fruehstueckte danach in einem der kleinen Restaurants, die die ganze Nacht geoeffnet waren.
Dann aenderten sich die Zeiten. Der Sechs-Tage-Krieg begann. Die Familie ging die Familie fuer vier Jahre nach Deutschland, bevor sie Anfang der Siebziger Jahre zurueckkehrte. "Dann ging es schon wieder los - wie wir die Kinder durch den Buergerkrieg gebracht haben," lacht die immer noch lebhafte Frau Abcarius erleichtert, obwohl die Tochter tragischerweise im Alter von 19 in Paris verstarb. "Wir verabredten uns mit anderen deutschen- und libanesischen Eltern zum Konvoi verabredet, damit wir aoes Auslaender die Kinder sicher in die Schule bringen konnten." Sie lebt am Rande Beiruts, im huegeligen Baabda. Von der Terasse ihres luftigen Apartments aus konnte in die Drusenberge im Hinterland sehen, Schie§ereien hoeren und die Kaempfe der Milizen beobachten. Als der Buergerkrieg beendet war, wurde Frau Abcarius Herausgeberin eines deutschsprachigen Magazins. Ihr Heft "Augenblick mal" lag in allen von Beirut nach Frankfurt fliegenden Flugzeugen aus. "Alles musste ich selbst organisieren, weil einige Libanesen mich uebers Ohr hauen wollten . die Druckerei, die Anzeigenverkaeufer, jeder wollte irgendwelche Prozente."
Nach dem 11. September 2001, sie war schon 67, stellte Frau Abcarius die anstrengende Taetigkeit ein. Zu schwierig die wirtschaftliche Lage, dazu brauchte ihr acht Jahre aelterer Mann immer mehr Pflege.Doch mittlerweile hat sie wieder Lust, das Magazin zu publizieren. "Aber", seufzt sie, "im Moment kann man hier nichts planen - der letzte Krieg hat die aufstrebende Wirtschaft und den Tourismus zerstoert und wer wei§, wann der naechste kommt."
Posted by jaz at 15.04.07 10:54