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20.03.07
Menschen in Beirut (2) - Kapitaen im Libanon, bald in Elternzeit
Der Bundeswehr-Fregattenkapitaen und Diplom-Paedagoge Michael Buesching ist nicht so oft in Beirut, wie er gerne moechte. Er ist Rahmen der von der Deutschen Marine gefuehrten Maritime Task Force als Military Press Information Officer der Vereinten Nationen nicht nur der zustaendige Fachmann fuer alle Anfragen zum Einsatz der Schiffe vor der libanesischen Kueste.
Der Kapitaen ist auch fuer die Koordination von Journalistenanfragen und Presseterminen im Gebiet des stark verminten und fast komplett zerstoerten Suedlibanon zustaendig. Nur zu offiziellen Terminen, die er dann und wann z.B. an der Deutschen Botschaft oder als Begleitung von Journalisten wahrnehmen muss, setzt er sich in seinen Dienstwagen, einen weissen Toyota-Gelaendewagen mit unuebersehbarer UN-Beschriftung, und faehrt die zwei Stunden aus dem UN-Headquarter Naquora an der libanesisch-israelischen Grenze nach Beirut.
Die taz/ die Reporterin trifft den frischgebackenen Vater eines Sohnes im UN-Hauptquartier im schiitischen Sueden, wo der Sieg der Hisbollah ueber Israel im Sommer-Krieg 2006 anhand von gro§e Propagandaplakaten gefeiert wird. Obwohl ringsherum alles in Schutt und Truemmern liegt. Nachdem man eine durch die israelische Armee zerstoerte Koranschule passiert hat, kommt man zu seinem festungsartig gesichterten Arbeitsplatz. Nach dem Check-In bei ziemlich gelangweit wirkenden franzoesichen und italienischen UN-Soldaten fuehrt Kapitaen Buesching durch das riesige Hochsicherheitsareal, direkt am Mittelmeer gelegen, welches aber natuerlich aus Sicherheitsgruenden durch einen hohen Stacheldrahtzaun von den ueber 1000 Soldaten aus 29 Nationen getrennt sein mu§. Der Kapitaen laedt zum Capuccino im "Blue Line Club", des Casinos des italienischen Kontingents, in dem es neben hervorragendem CafŽ auch eine grosse Auswahl an internationalen Spirituosen gibt. Bei strahlendem Sonnenschein sitzt man auf der Terasse, die Meeresbrise wiegt Stechpalmen, Olivenbaeume und Agaven sanft im Wind. Wuerden nebenan nicht staendig Helikopter starten und landen, wuerden nicht die italienischen Piloten in ihren schniecken Overalls und Designer-Sonnenbrillen aus- und eingehen, koennte man meinen, in einem ganz normalen StrandcafŽ irgendwo zwischen Spanien und Griechenland zu sitzen.
Schon als Kind hatte der sympathische Mitvierziger eine starke Affinitaet zu Wasser und Schiffen, nicht ganz typisch fuer jemanden, der aus der Gegend um Porta Westfalica kommt. Und natuerlich hatte er auch als Junge schon das, was es braucht, um zur Marine zu gehen: Fernweh. Zunaechst trieb ihn seine Liebe zum Wasser in einen Ruderverein, wo er als Steuermann mit seiner Mannschaft bei der Juniorenweltmeisterschaft 1974 im kanadischen Montreal die Bronzemedaillie holte "Ich glaube ich habe schon damals gerne den Kurs bestimmt" gibt er schmunzelnd zu. Nachdem er mit seiner Mannschaft schon frueh in der Welt unterwegs war, verstaerkte sich sein Wunsch, "dem Mief der Kleinstadt zu entfliehen" und so war die Entscheidung, sich bereits ein halbes Jahr vor dem Abitur fuer die Marine zu verpflichten, eine Leichte. Michael Buesching wurde Berufsoffiziersanwaerter, durchlief die harte Ausbildung zum Marineoffizier auf der legendaeren Gorch Fock und studierte danach Paedagogik, Soziologie und Psychologie an der Helmut-Schmidt-Universitaet in Hamburg. Sein Diplomthema war nicht im Entferntesten das, was man bei einem Fregattenkapitaen gemeinhin annehmen moechte: er verfasste seine Abschlu§arbeit ueber "Die Entwicklung von Subkulturen dargestellt am Beispiel neuer mittelschichtsorientierter Jugendkulturen" . ueber "Popper" versus "Alternative". Danach ging es fuer den frisch Diplomierten wieder zur See: zunaechst als Leutnant zur See auf dem "Waffensystem Schnellboot "Loewe" und spaeter als Oberleutnant zur See auf den Schnellbooten "Wolf" und "Panther" durchlief er die Fachausbildung zum Bootseinsatzoffizier und erhielt 1989, mit 28, die "Zuerkennung der Kommandoeignung" dem Kapitaenspatent der Marine und wurde . wieder an Land . Jugendoffizier in Essen. 1992, mit 31, uebernahm er sein erstes Kommando auf dem Schnellboot "Tiger", befuhr die Ost- und die Nordsee bis nach Norwegen und den Atlantik bis vor die afrikanische Kueste. Dass das Privatleben unter dem Beruf zu leiden hat, steht bei durchschnittlich 120 bis 150 Seetagen pro Jahr au§er Frage. Nach seiner zweiten Kommandantenzeit auf dem Schnellboot "Zobel" waere er beinahe Stellvertretender MarineattachŽ in Washington geworden, als dann doch die NATO anfragte, ob er "nicht Lust auf Italien" haette . woraufhin er bejahte und die folgenden drei Jahre als Stabsoffizier in Neapel verbrachte. Dort lernte er rasch so Autofahren, dass ihn die libanesischen Verkehrsverhaeltnisse heute nicht mehr schocken koennen.
Seine erste Ehe war durch die Entfremdung, die die Distanz mit sich brachte, schon weitgehend zerbrochen als er nach seiner Rueckkehr aus Italien fuer sechs Monate als Leiter eines von den KFOR-Truppen zusammen mit der zivilen Verwaltung im Kosovo gefuehrten Presselagezentrums eingesetzt wurde. Eine Versetzung zum Einsatzfuehrungskommando der Bundeswehr nach Potsdam und weitere Auslandseinsaetze im Kosovo und in Afghanistan folgten. Seit drei Jahren ist der Kapitaen nun in Schwerin als Abteilungsleiter fuer die Informationsarbeit der Bundeswehr in Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt und absolviert mit seinem derzeitigen UNIFIL-Einsatz den nunmehr dritten mehrmonatigen Auslandseinsatz waehrend dieser Zeit. Dass seine zweite Ehe durch seine Abwesenheit kriseln koennte, glaubt er nicht: "Es ist ein wahres Glueck, dass ich mit meiner jetzigen Frau die Liebe meines Lebens gefunden habe. Manchmal muss man etwas laenger darauf warten aber dafuer wissen wir beide was wirklich zaehlt im Leben".
Kapitaen Bueschig fuehrt durch das Wohngebiet der Soldaten. Vorbei an ghanaischen und polnischen Flaggen, die die Nationalitaet der Wohncontainerbewohner anzeigen, zu seinem spartanischen Container, in dem er derzeit, das ist "luxurioes", alleine wohnen darf. Au§er ihm sind derzeit nur noch drei weitere Deutsche mit ihm im UN Headquarter. Viele Kameraden, die mit ihm die libanesisch-israelische Grenze befrieden, kommen aus Ghana, Polen, Indien, Tansania, Nepal und inzwischen auch aus China und Suedkorea. Falls er einen Mitbewohner zugeteilt bekommen sollte, so wird darauf geachtet werden, dass dieser "aus dem gleichen Kulturkreis" kommt, denn, wie Buesching sagt, dafuer mu§ man kein Psychologe sein, "gibt da ja schon Unterschiede im taeglichen Miteinander". Er selbst wuerde den von einem Schiiten gefuehrten gutsortierten Spirituosenladen direkt am Eingangstor der UN Kasernen wahrscheinlich gerne gegen eine deutsche Baeckerei tauschen, denn das deutsche Brot vermi§t er sehr. Immer, wenn er die Gelegenheit hat ein Schiff auf See zu besuchen, nimmt er fuer sich und seine deutschen Kollegen frisch gebackenes Schwarzbrot aus der Kombuese der Schiffe mit.
Doch nicht nur deutsches Brot fehlt dem United Nations Military Press Information Officer, wovon die herzzerrei§ende spaerliche Dekoration seines bescheidenen Heims zeugt: Die DIN-A-4-Farbausdrucke der ersten Krabbelversuche seines Sohnes mit den riesigen blauen Augen lassen fragen, warum dieser freundliche und lockere Marinemann seinen Dienst ausgerechnet jetzt in ausgerechnet diesem trostlosen Landstrich verrichten mu§. Um nicht schon wieder eine Ehe aufs Spiel zu setzen, vor allem aber natuerlich, um die ersten Sprechversuche seines Sohnes mitzuerleben, hat Michael Buesching Elternzeit beantragt, so dass er nur noch bis April im Libanon stationiert sein wird, um sich dann erst einmal ganz der eigenen Familie zu widmen. "In meinem Wunsch Elternzeit zu nehmen bin ich von allen Seiten unterstuetzt worden. Und wenn ich Glueck habe und die Personalabteilung meine Wuensche beruecksichtigt, werde ich noch in diesem Jahr ganz in der Naehe meines Wohnortes eingesetzt werden." Fernweh scheint also doch heilbar zu sein. In diesem fall hei§t das Gegenmittel Domink Moritz Alexander und ist neun Monate alt.
Posted by jaz at 20.03.07 18:48