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8.03.07
Menschen in Beirut (1) Die Weltverbesserer
Vergangenen Sonntag (11.3.) erhielt das Pfarrerehepaar Friederike und Uwe Weltzien das Bundesverdienstkreuz vom Deutschen Botschafter im Libanon verliehen. Die beiden ehemaligen taz-Leser . "jetzt lesen wir sie online, aber eigentlich haben wir nicht einmal dafuer Zeit" . stammen beide aus der Naehe von Stuttgart, trafen sich aber beim Studium an der FU Berlin. Da Friederike Weltzien als Tochter eines Professors fuer Pflanzenkunde bis zum Beginn des Buergerkrieges 1975 im Libanon lebte, war es fuer sie logisch, mit ihrem Ehemann wieder in Heimat ihrer Kindheit zurueckzugehen, vor allem, da dort "noch so viel im Bereich Friedensarbeit gemacht werden mu§" wie die Sanftmut ausstrahlende Mittvierzigerin erklaert.
Die beiden teilen sich eine Pfarrerstelle in der Deutschen Evangelischen Gemeinde zu Beirut. Die Gemeinde, die die beiden leiten, ist offen fuer alle - modern und protestantisch. Da die Finanzierung der Auslandskirchen der EKD im Jahr 2011 auslaeuft und sich die 130 Mitglieder starke Gemeinde dann selbst finanzieren muss, wurde unter Leitung von Frau und Herrn Weltzien ein Mietshaus gebaut - fuer Singles, die im libanesichen Gesellschaftssystem nicht vorgesehen, aber doch existent sind.
In der Gemeinde treffen sich die im Libanon lebenden Deutschen bereits seit 150 Jahren. Sonntags gibt es "gewohnt deutschen Gottesdienst mit kleinen †berraschungen", bei dem der Leiter des Beiruter Goethe-Instituts, Dr. Norbert Spitz, die Orgel spielt. Weiter gibt es Kindertanz, dringend benoetigte psychosoziale Beratungsstunden, Basteln fuer den Weihnachtsmarkt mit Lebkuchen und Plaetzchen, der sich groe§ter Beliebheit auch bei Einheimischen erfreut und vieles mehr. Dienstags werden beim Frauentreff deutsches Brot und Berliner verkauft, die aus einer Behindertenbaeckerei im Sueden des Landes geliefert werden. Auch initiierten die beiden nach dem Buergerkrieg die Begegnungsstaette "Dar Assalam" (Haus des Friedens), um den verfeindeten Parteien die Chance fuer einen Neuanfang auf neutralem Boden zu geben.
Die beiden Eltern von vier Kindern sind stark engagiert in Bereichen, die die Aufgaben einer normalen Pfarrerei weit uebersteigen. Trotzdem wissen sie nicht genau, warum sie fuer das Bundesverdienstkreuz vorgeschlagen wurden, denn: "durch unsere israelkritische Haltung im letzten Krieg haben wir haben der Regierung auch viel €rger bereitet", wie Uwe Weltzien sagt. Nach Gespraechen mit ihnen fuehlt man: verdient haben sie die Staatliche Anerkennung allemal. Nebenbei hat Uwe Weltzien als passionierter Blues-Musiker noch eine CD mit libanesischen Kollegen aufgenommen, die sogar von einem US-Musikmagazin als "Beste auslaendische Blues-Produktion" gekroent wurde, obwohl sie nie einen Verleger fand. Mangels finanzieller Mittel programmiert er auch noch die Verwaltungsprogramme fuer die Abrechnungen des Gemeindehaushaltes selbst. Friederike, eine Freude und Ruhe ausstrahlende Frau, die neben ihrer Pfarrerinnentaetigkeit auch als Tanztherapeutin taetig ist, beschreibt ihre Arbeit als anstrengend, aber als zu wichtig, als dass sie ihr Pensum reduzieren koennte. Waehrend des israelisch-libanesischen Krieges im Sommer 2006 richteten die beiden eine 24-Stunden Telefonhotline fuer ausreisewillige, vom Krieg betroffene Menschen (nicht nur fuer Deutsche) ein, sie organisierten Ausreisen und Pa§angelegenheiten fuer Deutsche, die schon so lange im Libanon lebten, dass sie sich nicht mehr bei der Deutschen Botschaft registriert hatten. Aber auch den vom Krieg betroffenen Menschen anderer Konfessionen wurde im Rahmen der Moeglichkeiten geholfen. Drei Gemeindemitglieder besetzten 24 Stunden pro Tag die drei permanent belegten Telefonleitungen. Doch auch nach dem Krieg hat das Paar keine Ruhe: seine Hilfe wird gebraucht. "Kindesentfuehrungen" seufzt Friederike, "sind das haeufigste Delikt, neben haeuslicher Gewalt, und die hat seit dem Krieg stark zugenommen." Sie beschreibt den, wie sie sagt, "Klassiker" ihrer Aufgaben, bei dem sie immerhin eine Erfolgsquote von 30 Prozent nachweisen kann: eine deutsche Frau hat Kinder mit dem libanesischen Ehemann, die Ehe kriselt, man faehrt auf Idee des Mannes "gemeinsam in den Libanon, um die Ehe zu retten". Doch der Mann hat dort das Sorgerecht, und nicht selten kommt es vor, dass eine deutsche Frau von ihrem Noch-Ehemann an den Flughafen gebracht wird, ein Ticket in die Hand gedrueckt bekommt . und die Kinder nie wiedersehen soll, da sie Dank der patriarchalischen libanesischen Gesetzgebung keinen Anspruch auf ihre Kinder hat. Die Weltziens versuchen stets zu helfen, obwohl ihre juristischen Chancen begrenzt sind. Zumindest aber konnten die beiden in ihrer Zeit in Beirut eine Liste vetrauenswuerdiger Anwaelte zusammenstellen, die garantiert nur fuer eine Streitpartei arbeiten . zu oft kam es vor, dass der Anwalt fuer beide arbeitete und vertrauliche Informationen der Frau gegen Geld an den Mann weitergab.
Trotz aller Herausforderungen lassen sich die beiden nicht unterkriegen: sie lie§en ihren Pfarrervertrag bereits einmal verlaengern, sie retteten die Gemeinde 2003 vor der Insolvenz, und all das, obwohl sie sich gerade ein Haus in Deutschland gekauft hatten, vor knapp acht Jahren, bevor sie die Stelle in Beirut antraten. Im naechsten Jahr aber planen sie, endgueltig nach Deutschland zurueckzugehen: Friederike will wieder als Tanztherapeutin arbeiten . und sich um ihr fuenfjaehriges Kind kuemmern . und Uwe moechte wieder als Lehrer fuer junge Erwachsene arbeiten. Vorher wollen die beiden aber noch das erste Frauenhaus im Libanon bauen, Uwe muss noch viele Friedensreden u.a. vor der Hisbollah live auf Sendung halten, und es muessen Gesetze gegen haeusliche Gewalt im Libanon geschaffen werden, Dinge eben, die wichtiger sind als taeglich taz im Internet zu lesen.
Posted by jaz at 8.03.07 19:49