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23.02.07
So moechte ich arbeiten
Der Karnevals-Faux Pas der Duesseldorfer kam hier zum Glueck nicht auf die Agenda, bislang.
Gestern hatte ich schoene Termine.
Bei strahlendem Sonnenschein, 25 Grad, traf ich Zico, der eigentlich Mustafa hei§t, in seinem dreistoeckigen Haus, der einstigen Familienresidenz. Doch Zico, etwas ueber 40, grauhaarig, baertig und im fuer Berlin und auch hier typischen urbanen Kuenstler-Army-Style gekleidet...
braucht kein Haus fuer sich allein. Die Beiruter Kunstszene schon, weshalb sein Haus nun als Theater, Galerie, Club, Schreibwerkstatt, Labor, Gastwohnung, Konzerthaus fungiert.
Seit seiner Zeit als Architekturstudent im Buergerkrieg war er dem Theater immer naeher als der Architektur und wurde, durch Mitarbeit in einer Theatergruppe, die ihre Raeume neben den Architekturraeumen in der Uni hatten, "aus Versehen" wie er sagt, zunaechst Theatertechniker, dann Organisator, Impresario.
Zico bat mich, ihm eine deutsche Stra§entheatergruppe, die nicht "zu viel" Equipment braeuchte und aus nicht mehr als 6, 8 Leuten bestehen sollte, zu organisieren. Er veranstaltet jeden Sommer, au§er im Krieg, ein dreimonatiges international gefoerdertes Festival, dass Theater bis in die Doerfer bringt. Und noch viel mehr. Marionettentheater, Pantomime, Poesie-Workshops, Musizieren, Malerei...
Da Zicos Internetzustand schwierig war, kamen zwei junge Maenner, um eine schnellere Leitung anzuzapfen, also kletterte man gemeinsam aufs Dach und die Maenner suchten die Leitung vom naechsten Starbucks, fanden sie nicht, dafuer aber zwei neue Satellitenschuesseln, die irgendjemand auf dem Dach des Kuenstlerhauses postiert hatt. Als das endlose Kabelgesuche- und gefummele kein Ende nahm, tauschten Zico und ich Kontakte um an einem jungen Berlin-Beirut-Festival zu arbeiten.
Die naechste Verabredung hatte ich mit Jad, dem Macher des angesagten Clubs "Basement". Im schicken Restaurant "Fennel" im Stadtteil Clemenceau sa§ er dort, in Urban-Army-Style natuerlich, mit DJ Abe Duque und DJ Tijana aus Belgrad, die den letzten Unterrichtstag der gerade laufenden DJ-Academy im Basement planten. HiTech Laptops, Kopfhoerer, Dernier-Cri-Funktelefone im ganzen Restaurant verteilt, dezenter free Jazz, wunderleckerer Lunch, Blick aufs Mittelmeer, nur das W Lan-Internet-Allgemein-Problem, unter dem das Restaurant-Clubbuero zu leiden hat, erinnerte mich daran, im Libanon und nicht in Kalifornien zu sein.
Nach ein wenig Bueroarbeit lud das Goethe Institut - erwaehnte ich schon, dass unsere liebenswerte Kulturrepraesentanz von au§en wie eine DDR Jugendbesserungsanstalt aussieht? - zur strahlenden Vernissage des 69-jaehrigen Fotokuenstlers Hans-Joachim Kasselmann ein. Den Leiter der deutschen Schule lernte ich kennen, den Direktor des Franzoesischen Hospitals, einen Kunst-Professor, der auch als Fotokuenstler und Journalist arbeitet, der fuer libanesische und internationale Publikationen aus dem Kosovo berichtet hat und bis nach China eingeladen wurde.
Man sprach: Deutsch, Englisch, Franzoesisch, Hocharabisch, ein wundervoller Sprachenmix, der mir sehr entgegenkommt - denn wenn ich ein Wort auf arabisch nicht wei§, so kenne ich meist das franzoesische bzw. zumindest das lateinische und vice versa. Englisch ist nur die letzte der Konversationsmoeglichkeiten, ist es doch so unkultiviert und einfach im Vergleich mit den anderen beiden Sprachen! Man darf hier mitten im Satz Sprachen wechseln, es gilt sogar als chic!
Als ich mit meiner neuen Freundin, der deutsch-palaestinenserin Raba aus Halle, aktuelle Praktikantin der Friedrich-Ebert-Stiftung, ein wenig ungestoert plaudern wollte, gingen wir auf den Hof. Zwei deutsche Studenten kamen nach uns raus, poebelten ein wenig "moensch, eigentlich wollten wir ungestoert sein" und ich fragte nur kurz: "Berliner?" - ja, und natuerlich waren die frechen Studis von der Berliner FU, wir studierten beim gleichen gro§artigen Arabischehrer, einen ganz herzlichen Gru§ an unseren hochgeschaetzten Dr. Fromm an dieser Stelle! Die Islamwissenschafts-Studis haben sich ein tolles Projekt ausgedacht: Sie wollen Tausende von 14-seitigen Frageboegen an den Unis hier verteilen, eine komplette sozio-demografische Erhebung zu Religion, Politik, Mediennutzung etc., bekommen gerade alle Genehmigungen zusammen und hatten aber vergessen, dass allein fuer die Kopien 2000 Euro benoetigt werden. Trotzdem scheint ihr Projekt zu laufen und die Daten koennen sie sicherlich meistbietend versteigern, an Marketingfirmen und im Zweifelsfalle an das suedliche Nachbarland...
Der Hoehepunkt des Abends stand aber erst noch an, Dr. Spitz, den ich jetzt Norbert nennen darf ("wissen Sie, wenn jemand `Doktor`sagt, denke ich immer, dass jemand krank ist") lud mich und oben beschriebene Personen, nicht die Studis natuerlich, privat zu einem seiner legendaeren Kochabende ein, er zauberte nonchalant Aperitifs, leckerstes Boeuf Bourguignon mit Pilzrisotto ("das kocht sich wie von selbst"), einheimische Weine rundeten das Erlebnis ab, und zum Schlu§ gab es original deutsche Petit Fours, nicht, dass die Franzosen die Confiseriekunst nicht hiergelassen haetten, aber es war ja schlie§lich auch eine Einladung des Mannes, der rund um die Uhr die Personifikation der deutschen Kultur darstellen mu§ und will und es mit Liebe tut, ganz wunderbar zu sehen.
Nun aber:
Lawrence! Damaskus muss genommen werden! Der Schriftsteller und die Freunde warten dort.
Taxi! Damaskus, Damaskus, Damaskus!
Posted by jaz at 23.02.07 6:47