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13.02.07
Das faengt ja gut an
Die Kolleginnen der Lufthansa-Stewardessen, die von Berlin nach Frankfurt bezaubernd und freundlich zu den Herren in den Anzuegen waren, zeigten auf der Strecke Frankfurt - Beirut ihr wahres Gesicht oder zumindest, wieviel Lust sie hatten, in einem die Weltnachrichten beherrschenden Krisengebiet zu landen. Kein Laecheln bekamen die wenigen Passagiere, libanesische Geschaeftsleute, zwei Muetterchen mit Kopftuch und ich. Als ich die Damen in ihrem Kaemmerchen mit der Frage nach einem Glas Wein aufschreckte, wuerdigten sie mich keines Blickes und oeffneten ihre Schubladen mit Fu§tritten aus ihren Pumps. Dabei haetten sie sich doch denken koennen, dass ich Schreiberin bin, wer fliegt den sonst freiwillig in den Libanon, vor allem, da sich morgen der Tag der Ermordung des Praesidenten Rafiq Hariri zum zweiten Mal jaehrt und Hunderttausende aus dem ganzen Land zur Gedenkkundgebung erwartet werden? Als Entschaedigung waren die Beamten an der Immigration ganz besonders nett und scherzten mit mir, doch ich gab trotz ihnen trotz intensiver Bemuehungen meine Telefonnummer nicht. Das Einmonats-Visum, das normalerweise 50 Euro kostet, gibt es zur Zeit umsonst, damit ueberhaupt noch jemand in dieses kleine, tapfere, chaotische Land einreist?
Mein neues Heim, das Vertragshotel des Goethe Instituts Beirut, das traditionsreiche Mayflower im Christenviertel - hier lebten viele Korrespondenten waehrend des Buergerkrieges unbeschadet - ist stolz darauf, seit 1957 zu existieren und gibt sich auf seiner Website so mondaen, als wuerde die Stadt ihrem alten Ruf als "Paris des Orients" immer noch gerecht werden. Natuerlich wollte ich noch gleich in der Nacht nach der Ankunft das angeblich immer problemlos funktionierende Wireless Lan Netzwerk ausprobieren, mir wurde eine Karte gebracht mit einem Code, 40 Dollar fuer "as much as you want"-Internet fuer die Dauer von sieben Tagen. Einloggen klappte nicht, aber immerhin gab es auf der Karte die Nummer einer Hotline, deren Angestellte ich bis zur Aufgabe des Online-Versuches um drei Uhr morgens nerven konnte.
Als ich heute Morgen an der Rezeption einen Techniker verlangte und als Antwort "maybe 10 Minutes" bekam, war ich positiv ueberrascht, als nach eineinhalb Stunden tatsaechlich ein junger Mann in schickem Jackett und Laptop in der Hand vor mir stand. Noch ueberraschter war ich allerdings, als er mir erklaerte, von Macintosh-Computern keine Ahnung zu haben, er meinen Browser nicht kannte und mir trotzdem versuchte zu erklaeren, wie ich das Netzwerk finden und mich einloggen sollte - hatte ich doch die Haelfte der Nacht mit ebendiesem Versuch unerfolgreich verbracht. Doch der Libanon waere nicht der Libanon, und schlie§lich geht in Arabien immer irgendwie alles, nachdem er acht Freunde, "Macintosh experts" per Telefon mit meinem Anliegen quaelte, doch keiner helfen konnte, schaute er mich endlich peinlich beruehrt an und meinte: "OK, es gibt eine Moeglichkeit, die klappt sofort, aber die ist illegal, aber niemand kontrolliert das und alle machen es so".
Nach einem weiteren Anruf standen zwei Computerjungs Anfang 20 vor mir, die Herren des illegalen Internets in diesem Viertel, zupften ein zuvor nicht sichtbares Kabel aus der Wand, schnitten es auf, zerpflueckten es, kletterten im platternden Regen aufs Dach, fummelten es mit den anderen hier von allen Haeusern herumhaengenden Kabeln zusammen und fortan habe ich Internet im Zimmer - fuer 40 Dollar monat- statt woechentlich. Zahlbar, obwohl illegal, an der Rezeption.
Dank der Internet-Problematik bekam ich so auch erst am fruehen Nachmittag Nachricht vom heutigen Anschlag auf die beiden Busse des Transportunternehmens der politisch einflu§reichen Familie Gemayel in der Naehe ihres Familiensitzes. Die Mitarbeiter des Goethe Instituts, die ich spaeter traf, auch meine Austauschkollegin Mayssa von der libanesichen Zeitung "As-Safir" fuehlten sich an diesem verregneten Tag nicht wohl, Spannung lag schon in der Luft und baut sich durch die staendigen laermenden Autokorsos der Partei "Future Youth" von Rafiq Hariris Sohn Saad weiter auf. Wuesste man nicht, dass die froehliche wei§-blaue Parteiflagge politische Bedeutung hat, so koennte man dem Stil des Autokorsos nach - neben der "Future Youth"-Flagge sind alle Autos und Vespas natuerlich mit der Zedernflagge dekoriert, Maedchen sitzen auf Autodaechern, Musik und Hupen toenen - auf eine Feier zum Sieg des libanesischen Fu§ball-Teams tippen. Jeder kleine Shop, der etwas auf sich haelt, verkauft Libanon-, Hariri- und Palaestina-Flaggen; es gibt sogar einen Hariri-Gedenk-Schal mit seinem Konterfei in schillerndem Hellblau.
Zur Gedenkkundgebung werden morgen ab 10 Uhr hunderttausende Regierungsanhaenger am Maertyrerplatz in Downtown erwartet. Unguenstig: an eben diesem Platz hat die Hisbollah seit dem 1. Dezember ihr Protest-Zeltlager aufgebaut, in dem 1000 - 10 000 Schiiten derzeit noch friedlich Wasserpfeifen rauchend versuchen, die Regierung zu stuerzen. Der bombastische sechsstoeckige Virgin Megastore mit Dachterasse und W-Lan hat schon seit Wochen geschlossen. Ein Drittel der anliegenden Luxus-Boutiquen mu§ten im Laufe der Proteste Konkurs anmelden. Das elegante Geschaeftsviertel Downtown, nach Originalbauplaenen aus der franzoesischen Mandatszeit von Rafiq Hariri und seinem Fonds "Solidere" fuer Milliarden Dollar nach dem Buergerkrieg wieder aufgebaut, gleicht einer Geisterstadt neben einem Fluechtlingslager und wird morgen aller Voraussicht nach zum Hexenkessel...
Posted by jaz at 13.02.07 22:50