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21.09.06
'Ich habe ein sehr mulmiges Gefuehl'
Drei Mal am Tag koennen die Marinesoldaten ihre Mails abrufen, wenn sie vor Libanons Kueste im Einsatz sind. Ansonsten sind sie ganz schoen weit weg von Zuhause. Eine Reportage.
21. Sep 2006 16:13
Wilhelmshaven
Sonnenschein ueber dem Kai in Wilhelmshaven spiegelt sich glitzernd auf der ruhigen Nordsee. Fuer rund 1000 Soldaten und Soldatinnen hei§t es Abschied nehmen, von Deutschland und ihren Lieben. In wenigen Tagen sollen die Marineangehoerigen auf ihren Schiffen das oestliche Mittelmeer erreichen. Es gilt, den fragilen Waffenstillstand zwischen Israel und der schiitischen Hisbollah-Miliz im Sueden Libanons zu ueberwachen. Die Aufgabe ist klar, und doch ist es fuer die Besatzungen eine Fahrt ins Ungewisse.
'Natuerlich hat man Sorge vor Anschlaegen', sagt Obermaat Annelie Rohr. Sie ist eine von neun Frauen auf der Fregatte 'Mecklenburg-Vorpommern'. Zusammen mit 209 Maennern sollen ihren Dienst in den Gewaessern vor der Kueste des Libanon verrichten, zunaechst bis August naechsten Jahres, so beschloss es am Mittwoch der Deutsche Bundestag. 'Ich habe ein sehr mulmiges Gefuehl aufgrund der unsicheren Lage im Nahen Osten', sagt Obermaat Rohr. 'Doch ich wei§, dass wir so gut vorbereitet sind, wie es nur geht.'
Die Sanitaets- Unteroffizierin Rohr ist erst seit acht Monaten als Zeitsoldatin bei der Marine verpflichtet. Ihre Sehnsucht nach dem Wasser, nach der Weite des Meeres zog die 22-Jaehrige zur Marine. Zwar habe man es als Frau unter so vielen Maennern manchmal schwer, sagt die Leipzigerin, doch generell gefaellt ihr der gute Teamgeist, geschlechterbezogene Probleme gebe es selten.
Das Beste draus machen
An persoenlichen Gegenstaenden darf die junge Frau nur mitnehmen, was in einen Spind passt. Sie wirkt ein wenig wehmuetig. Sie werde ihren Freund und ihre Familie vermissen, sagt sie. Doch Telefon- und Onlineverbindungen sollen den Soldaten staendigen Kontakt zur Heimat ermoeglichen. Bis zu drei Mal taeglich kann die Besatzung E-Mails abfragen. Viele nehmen auch Laptops mit an Bord . So laesst sich die Freizeit mit Games wie Counter-Strike und World of Warcraft vertreiben.
Obermaat Rohr sieht die historische Verantwortung Deutschlands in Nahost 'ganz neutral'. Sie findet, die deutschen Soldaten sollten 'das Beste daraus machen' und hofft, dass sich die Angespanntheit der letzten unsicheren Tage loest, sobald sie mit ihrer Fregatte auf See ist.
Schon vorab Waffen bestellt
Fuer die Mutter des Stabsgefreiten Stephan Chowanietz beginnt jetzt das gro§e Bangen, wie sie erzaehlt. Zwar sei ihr Sohn schon am Horn von Afrika im Einsatz gewesen, doch 'das war Urlaub im Vergleich zu dem, was jetzt ansteht', schildert sie auf Deck. Es sei schon immer der Wunsch ihres Sohnes gewesen, zur Marine zu gehen. Ihr dabei stehender €ltester versucht seine Aufregung hinter professionell-laessigen Spruechen zu verstecken. 'Wir wissen zwar wenig von dem Seegebiet und das auch nur aus Karten, aber wir haben jetzt noch die lange Fahrt zur Vorbereitung', sagt er. 'Schoen waer's nur, wenn ich Weihnachten nach Hause kaeme, schlie§lich war ich schon die letzten drei Jahre zum Fest auf See.'
Er habe schon Mitte August gewusst, dass es bald losgehen wuerde, sagt er. Auch ohne Kabinetts- und Bundestagsbeschluss. 'Eigentlich wollten wir nach dem Hanse-Sail in Rostock die Fregatte aus der Brandenburg-Klasse zur †berholung in die Werft bringen.' Doch dann habe der Artilleriewaffenmeister scharfe Flugkoerper fuer einen Einsatz bestellt.
Den Traum leben
Er freue sich auf die Tage auf hoher See und wolle die Zeit genie§en, die das Team braucht, um sich einzuspielen. 'Und wenn wir dann erstmal im Libanon sind, beginnt der Arbeitsalltag und die Aufregung verschwindet.' Seine Familie und seine drei besten Freundinnen stehen auf dem Deck. Herum um den hoch gewachsenen, eloquenten jungen Mann, der laessig an einer Zigarette zieht.
Der Mutter, die einst Weihnachtsmaerkte organisierte, merkt man den Stress des Abschieds an. Doch jetzt laechelt sie ein wenig. 'Zwar muss ich mir immer Sorgen um ihn machen, aber dass mein Junge seinen Berufstraum leben kann, ist eine schoene Sache.'
Dann erklingt Musik. Fuer jedes Schiff des Flottenverbandes stimmt eine Militaerkapelle 'Muss i' denn, muss i' denn zum Staedtele hinaus' an. Wehmut ergreift Angehoerige und Zaungaeste
Posted by jaz at 21.09.06 8:36