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26.10.05
Enduring Freedom. Mein geheimes Militaertagebuch
An manchen Tagen wurde ich, Darstellerin der Paschtunin Fatima Kabil, viermal erschossen. Von echten GIs oder von italienischen Soldaten. In Hohenfels, dem bayerischen Afghanistan
Tag 1
Heute war Ankunft in Hohenfels, Europas zweitgroe§ter Nato-Basis. Seit 1951 trainieren US-Soldaten hier fuer Kriegseinsaetze. Rund 160 Quadratkilometer militaerisches Sperrgebiet im idyllischen Bayern, nahe Parsberg bei Regensburg. Permanente Kriegssimulation im Naturschutzgebiet. 350 Menschen sind hier heute angeliefert worden, um den Amerikanern dabei zu helfen. Ich, Studentin in Geldnot, bin auch dabei. Wir werden 26 Tage lang unsere Lager nicht verlassen. Allein drei Busse aus Berlin, weitere aus Leipzig, Dresden, Nuernberg. Beim Check-in fallen sich alte Bekannte um den Hals: "Hohenfels-Veteranen".
Manch einer ist zum ersten, andere zum sechsten oder zehnten Mal hier. Es ist mein erstes Mal, und mein Gefuehl schwankt am Ende des Check-ins zwischen "mein letztes Mal" und "sofort nach Hause fahren". Dass viele Kollegen pazifistisch eingestellte Kommilitonen sind, gibt ein wenig moralische Sicherheit. Andererseits stellen wir uns die Frage: Warum treffen sich gerade Menschen wie wir an einem solchen Ort? Weil konservative Studenten ebensolche Eltern und somit Geld oder zumindest vernuenftige Nebenjobs haben? Weil Menschen mit geregeltem Leben sich nicht einen Monat lang der Welt entziehen koennen, um einen geheimnisvollen Job anzunehmen?
Wir Frischlinge sind nervoes. Hoeren von Veteranen: "26 Tage ist schon krass. Irak war neulich schon lang - 21 Tage!" oder "Wir kommen nach Afghanistan, das wurde schon lange nicht mehr geuebt". Wer sich auf die bundesweit in Tageszeitungen geschaltete Anzeige "Statisten fuer Rollenspiele gesucht" beworben hatte, einigerma§en durch den Englischtest kam und nun hier ist, sich an alle Regeln haelt und die kommenden vier Wochen keinen €rger macht, darf - so er dann noch moechte - wiederkommen: GIs muessen staendig trainiert werden. Kosovo, Irak, Afghanistan.
Deshalb sind wir jetzt C.O.B.s, "Civilians on the Battlefield", Statisten auf dem Schlachtfeld. Wir Studierende, Arbeitslose aller Altersklassen, Aussteiger, Kuenstler, Familienvaeter, die einen Monat Zeit haben, um in einer irrealen Zwischenwelt zu leben, werden "afghanische Dorfbevoelkerung". Ohne Internet, in einem Gebiet mit schlechtem oder, netzabhaengig, gar keinem Funktelefonempfang. Jeder von uns verdient neunzig Euro pro Tag, ein Einsatztag dauert von 5 bis 22 Uhr. Wenn wir 24-Stunden-Dienst haben, werden es 100 Euro sein, alles auf Lohnsteuerkarte. Wer bei einem Regelversto§ erwischt wird, bekommt nur siebzig Euro pro Tag und faehrt auf eigene Kosten zurueck.
Nach stundenlangem Check-in - der Pass muss abgegeben und ueberprueft werden - fahren unsere Busse durch ein malerisches huegeliges Waldgebiet, dann minutenlang an Helikoptern, Panzern, Baracken und einer US-Soldatenstadt vorbei. Unser Gepaeck ist weder durchsucht noch beschnueffelt worden. Durch das Informationsblatt, das uns unser Arbeitgeber Optronic im Auftrag der US Army vor diesem Einsatz geschickt hat, sind wir informiert: Alkohol und alle anderen Drogen sind verboten, Anweisungen ist Folge zu leisten.
Einige Berliner Jungs sehen verkifft aus. Am Rastplatz haben sie gerade ihren letzten Joint in Freiheit geraucht. Trauen sie sich auch, Gras in das US-Gebiet mitzunehmen, hierhin, wo die US Military Police herrscht?
Die Busse laden uns an der "Tech Site" ab, dem Optronic-Organisationsplatz. 350 Menschen laden ihr Gepaeck in ein bestuhltes Bierzelt. Von den Veteranen hoert man, dass bei Diebstahl das gesamte Gepaeck aller Anwesenden durchsucht wird, der Dieb sofort nach Hause muss - auf eigene Kosten, wie bei allen Regelverstoe§en. Im Feldwebelton fordert uns ein hagerer, gro§er Mann mit Wollmuetze und sehr hoch gezogener, enger Jeans auf: "Setzen, zuhoeren, Folge leisten". Die Veteranen tuscheln uns zu, dass es sich um Harry handelt. Mit Harry ist nicht zu spa§en, denn er war in der Fremdenlegion und ist "Chief Supervisor" von Optronic. Harry bruellt uns an, als waeren wir massenmordende Teenager im Bootcamp. Und das lispelnd und in Ruhrpott-Mundart.
Wir lernen, was uns durch die Firma Optronic - im Namen der US Army - fuer die naechsten vier Wochen verboten ist: jeglicher koerperliche Kontakt, Sport, schnelle Bewegungen aller Art, herumliegende, nichtexplodierte Munition beruehren, Alkohol, Drogen, Sex, Unpuenktlichkeit, Licht nach 22 Uhr, unser Essen zu essen, wo wir wollen, Essen aufbewahren, privater Kontakt mit Soldaten. Frauen ist das Sprechen mit Soldaten untersagt, sie duerfen nichts Kurzes, nichts Dekolletiertes, nichts zu Enges tragen, niemals Roecke, niemals Tarnfarben oder schwarz. Keine Waldfruechte sammeln, tagsueber nicht schlafen.
Dafuer dann die Pflichten: aufstehen um fuenf Uhr morgens, Krankmeldungen nur vor sieben Uhr morgens, persoenliche Hygiene beachten, jederzeit bereit sein, den Teamgeist aufbauen und Engagement zeigen, genug Wasser trinken, immer lange Hosen und festes Schuhwerk tragen, spazieren gehen nur entlang der Dorfstra§e. Abstand halten zu militaerischen Fahrzeugen. Ausweis dabei haben und bei Fahrten in militaerischen "Vehikeln" immer die alten, extrem schlecht sitzenden Bundeswehrhelme tragen. Wer zwei Tage krank ist, wird am dritten nach Hause geschickt (auf eigene Rechnung).
Alle Namen werden verlesen, jeder einem Dorf zugeteilt. Die meisten, ueber hundert C.O.B.s, sollen nach "†bungsdorf". Die Veteranen erklaeren, es sei das haerteste Dorf, in dem am meisten "abgeht". Die Neuen sind neugierig, niemand kann sich etwas unter "hartem Dorf" vorstellen. Stundenlanges Warten, bis ein Bus drei Ladungen voller Menschen nach "†-Dorf" karrt. 45 Minuten Fahrtzeit bei maximal erlaubten 40 km/h. Ausladen. In der Dunkelheit einer Kosovo-Dorfattrappe mit Puff, Kirche, Moschee und "Nanu-Nana"-Geschaeftsnachbau stellen sich Frauen in erster Reihe auf, Maenner in der zweiten. Ein Dschingis-Khan-gleich aussehender 50-Jaehriger mit ungarischem Akzent befiehlt, uns anders aufzubauen. Dann teilt er Frauen zum Kloputzen ein. Unser Supervisor, dicklich, nicht hart, ein kleiner Deutscher, Dirk Bach nicht unaehnlich, erklaert: "Das ist Gyuri. Der spielt sich immer auf. Nehmt ihn nicht ernst, er macht gern auf Chef. Den offiziellen Klo-, Bad- und Kuechenputzplan haenge ich morgen aus."
Nachdem alle C.O.B.s ihre Massen von Gepaeck in eine Baracke gestopft haben, werden die alten Bundeswehrdoppelstockbetten belegt. Supply-Ausgabe. Die 27 Frauen und circa 80 Maenner erhalten: eine duenne, staubige Matratze, ein altes Bundeswehrlaken. Schlafsack und Kopfkissen waren selbst mitzubringen. Dazu: Regenponchos, massive Gummi-†berschuhe fuer Schlamm und Regen, Helme und Miles.
Tag 2
Das Miles, ein Infrarotdetektor, mit dem die Soldaten erkennen, ob sie uns abgeschossen haben, muss von jedem C.O.B. staendig getragen werden. Dumm nur, dass die ungefaehr zehn mal fuenfzehn Zentimeter gro§e Metallbox an einem mit Sensoren ausgestatteten, pferdegeschirrartigen Gurtgeflecht auf dem Ruecken zwischen den Schulterblaettern sitzt. Die vielleicht anderthalb Kilo, die es wiegt, fuehlen sich am Ende eines Arbeitstages wie mindestens fuenf an. Nicht mal zum Essen duerfen wir es absetzen. Wer zweimal ohne erwischt wird, fliegt. Ich spuere den Kasten noch, wenn ich nachts auf der harten Matratze in der stinkigen Baracke Schlaf suche. Ein kleiner Trost: Die pazifistischen Kommilitonen und ich haben die Batterien aus den Miles entfernt. So sind sie etwas leichter, und man hat das sexy Gefuehl, die US Army zu sabotieren.
Wir mussten unterschreiben, nichts von dem hier Erlebten an die …ffentlichkeit zu bringen. Die Unterschriften leisteten wir vor dem Sohn des Geschaeftsfuehrers von Optronic - der gerade wegen versuchten Waffenschmuggels nach Nordkorea vor Gericht steht. Ja, hei§t es auf Nachfrage, hier seien versehentlich schon Menschen erschossen oder vom Militaerfahrzeug ueberfahren worden. Aber wir braeuchten uns keine Sorgen zu machen: Es waren immer nur Soldaten.
Tag 3
Gestern und heute wurden wir von der US-Armee eingewiesen. Diesmal trainieren sie tatsaechlich Afghanistan - "Enduring Freedom". Zwei Captains erklaerten uns Afghanistan und muslimische Traditionen anhand eines stuemperhaften Powerpoint-Referats. Im Gegensatz zu Harry koennen sie sehr laut sprechen, ohne zu bruellen.
Wir lernen, dass 45 Prozent der von der US Army in Afghanistan ausgebildeten lokalen Sicherheitskraefte nach dem ersten Lohn desertieren und ein Drittel des dortigen Bruttoinlandsprodukts dem Opiumanbau zu verdanken sei. Sechs bis zehn Millionen Landminen soll es geben, 300 bis 400 Afghanen sterben monatlich durch Minen - das Land braucht also amerikanische Hilfe! Ein smarter Captain, der mit blank gewichsten Stiefeln und George-Clooney-Look eher nach Hollywood als in ein bayerisches Bierzelt passen wuerde, erklaert uns auf Amerikanisch, dass "die afghanische Kultur sehr opportunistisch gepraegt und Vertrauen daher unmoeglich" sei. Er zeigt Dias, auf denen er selbst in Afghanistan zu sehen ist, im Schneidersitz bei Paschtunen hockend. Er erklaert: "Am 11. September haben sie den schlafenden Drachen USA geweckt. Dann haben wir die Taliban besiegt. Danach haben wir Karsai genommen und ihn zum Praesidenten gemacht."
Der andere Captain, in legerem Freizeitlook, erklaert uns auf Deutsch dann noch schnell, wie wir jetzt denken sollen: "Fangt nicht an mit diesem 'I dont like Bush I like Gerhard'-Shit. Wir arbeiten hier, um Leben zu retten. Wenn ihr eure vorgefasste Meinung ueber das Militaer nicht aendern koennt, dann ist das hier der falsche Platz."
Es gibt neue Regeln zu beachten, †bungsdorf wird das afghanische Qalat. Die meisten von uns werden nun Paschtunen oder Poposai. Wir alle sind Sunniten.
Tag 4
Viele Veteraninnen sind bereits stolz mit Soldaten befreundet, verlobt. Viele GIs haben deutsche Ehefrauen. Man spricht Army-intern von "Loveboat Ubungsdarf". Die Girls, die schon Lover bei der Army haben, erzaehlen alle dieselbe Story: "Ja, beim letzten Mal hier kennen gelernt, aber im Camp lief nix, ist ja verboten, er nahm sich Urlaub, besuchte mich dann." True love can wait? Es scheint, als wollten manche Maedchen die Soldaten auch dieses Mal beeindrucken. Einige schminken sich, jeden Morgen um fuenf Uhr. Manche haben einen rot-glasigen Blick, bestimmt, weil sie sich ins verschlafene Auge gestochen haben.
Wir haben nur vier Duschen fuer 27 Maedchen, dafuer aber oft "Meeting", zum Beispiel morgens um Punkt sieben Minuten vor sechs. In einer stockdunklen, unbeheizten serbisch-orthodoxen Kirche. Die Supervisoren sehen nichts. Zeit fuer Schabernack! Wer sein Funktelefon dabei hat, spielt Musik und Klingeltoene ab und laesst es leuchten. Klatschen, lachen. Nach ein Paar Sekunden schreit der Supervisor - irgendeine Drohung, die das schlimme Wort "Rausfliegen" beinhaltet. Mit Laserpointer zeigt er auf die Schabernackmacher. Aller Spa§ vorbei, Gruppe stumm.
Supervisor Nr. 3, nicht Dirk Bach, sondern ein hagerer Althippie, immer mit Wollmuetze, so wie Harry, verkuendet: Alle bekommen original afghanische Kleidung! Bis die Kostueme da sind, muessen wir uns in alte Bundeswehrlaken huellen. Kopftuecher, Schals oder was gerade da ist, auf den Kopf basteln. "Maenner - macht euch Turbane, ist mir schei§egal wie!" Darueber das schreckliche Miles.
Den Tag verbringen wir mit gro§em Gelaechter in unserem kleinen Fuenfzehn-Haeuser-Dorf. Die tuerkischstaemmigen Maenner sehen mit Turban sogar elegant aus! Der Puff ist immer noch da, spaeter, wenn die Amis kommen, werden sie dort schlafen. Ein paar Frauen wollen beeindrucken und verkleiden sich als Schwangere. Gewandet in Laken und Handtuecher (waren mitzubringen), binden sie sich Buecher und Kissen um den Bauch. Der Supervisor lobt spaeter die "Kreativitaet". Was die †bereifrigen allerdings nicht bedacht haben: Sie muessen die naechsten zwanzig Tage in ihrer Kostuemierung verbringen.
Tag 5
Jetzt verstehen wir den Begriff "hartes Dorf": Wir haben in neun Tagen 36 "Lanes" zu absolvieren. Eine Lane bedeutet einen Militaereinsatz in einem Dorf. Die Teenager-GIs aus Amerika, die meisten zum ersten Mal an einem anderen Platz der Welt, stuermten unser Dorf und uebten "Terroristen Waffen abnehmen". Es war nicht leicht: Zwei Platoons von je drei§ig Mann trafen auf unser mittlerweile in zwei Kriegsschauplaetze geteiltes Dorf, in dem sich andere GIs als "Terroristen" (also schwarze Kleidung, auch mit Turban) versteckten.
Sie sa§en in Haeusern, und wir Deutsch-Afghanen sollten die Amis ablenken, verwirren, mit Umarmungen und Einladungen zum Tee begrue§en. Die Terroristen hatten natuerlich auch Waffen. Und haben nach anderthalbstuendigem Haeuserkampf gewonnen: Alle US-Soldaten wurden durch das hohe Fiepen ihrer Miles als tot identifiziert, ein Terrorist ueberlebte. 30:29 fuer die falsche Seite. Von der Dorfbevoelkerung kamen nur ein paar Frauen durch, die ab heute zwei- bis dreimal pro Tag ein bis zwei Stunden in dem ungeheizten Rohbau-"Frauenhaus" abwarten muessen, bis die Maenner alle totgegangen sind.
Drei Maedchen weinten wegen der ultrarealistischen Kriegssimulation, dem Geballere, den ganzen schweren Waffen, den Hubschraubern, den auf der Stra§e liegenden toten Ehemaennern, wegen der Blendgranaten und dem Rauch. Wegen der Belagerung durch Humvees, diesen aus dem Fernsehen bekannten schwer bewaffneten "Highly Mobile Multi Purpose Vehicles", diesen fetten Hyperautos, die auch an der Wall Street cruisen. Ein Junge mit goldenen Locken und ein Maedchen, das sein Geld auch mit Modeln verdienen koennte, fuhren noch am Abend nach Hause.
Tag 6
Das Nichtsprechen mit den Soldaten gestaltet sich fuer die Frauen schwierig: Wir stehen zusammen mit den Soldaten taeglich bis zu einer Stunde fuer das Fruehstueck an. Die Soldaten wollen unbedingt unsere Maedchen kennen lernen. Da die Maedchen dies auch moechten, hoert man einen unserer drei Supervisoren oft noch vor Sonnenaufgang "Vollverschleierung" durch den Speiseraum bruellen. Dann sind alle wieder "BMOs", "Blue Moving Objects", wie die Amis uns nennen.
Das ab 5.50 Uhr bereitgestellte Fruehstueck besteht aus Tee oder US-Kaffeegemisch, Orangensaft aus tiefgefrorenem Konzentrat, Ruehrei aus tiefgefrorenem Konzentrat (manchmal gruenlich), Speck, Wuersten, Waffeln mit klebrig-sue§lichem Maissirup, Toast, Kuchen, Kekse und keinem, einem oder einem halben Stueck Obst pro Person und Tag: stahlharte grellgruene Granny Smiths oder hellgruene Bananen. Manchmal gibt es sogar H-Milch.
Um 17 Uhr bekommen wir sehr viel Mais- oder Kartoffelbrei, riesige Bohnen, rationiertes Gemuese, viel zu wenig Salat und sehr viel Fleisch mit Extraso§e. Blecheweise matschige Sahnekuchen, gro§e Schokokekse. Nicht, dass jemand Zeit haette, hungrig zu werden: Fuer zwischendurch und jederzeit liegen Tonnen von wei§em, weichem Toast, Erdnussbutter, Butter und Marmelade im immer zugaenglichen Essenraum. Dazu Zuckerkonzentratsaft. Alle haben Verstopfung, viele Blaehungen. Geruechte ueber Beruhigungsmittel, libido- und potenzhemmende Substanzen im graeulichen Maisbrei machen die Runde. Chemisch schmeckendes Wasser trinkt man aus gro§en Army-Kanistern, die man selber holen muss. Die meisten trinken daher staendig den neonfarbigen Zuckersaft. Eine fragte heute in die Runde, ob wir nicht auch befuerchteten, ungefragt an einem gro§en "Supersize Me"-Feldversuch teilzunehmen.
Tag 7
Erste Kontaktaufnahme zu US-Soldaten. Die meisten sind zwischen neunzehn und vierundzwanzig. Klischeegemae§ lieben sie Eminem, aggressive deutsche Rockmusik und deutsche Frauen. "Die stellen sich nicht so an" wie die US-Girls, die man immer erst zum Dinner einladen muss und dann oft trotzdem nicht ins Bett bekommt. Ich werde gefragt, ob es stimmt, dass deutschen Maedchen egal ist, ob der Beischlafleistende ihren Namen wei§.
Tag 8
Das "Essen". Selfmade-Kloputzeinteiler Gyuri ist, wie auch schon einige Male zuvor, Aushilfskuechenchef: Um sechs und um siebzehn Uhr koordiniert er im ungarischen Militaerstil die Anlieferung der nahezu ungenie§baren, vitaminfreien US-Army-Verpflegung. Das Militaeressen wird uns C.O.B.s als vertraglich gesicherte "Vollverpflegung" zugemutet. Manche Veteranen haben eigenes Essen dabei. Andere, die schon mehrfach hier waren, lieben US-Nahrung. Sie sind dick oder waren es und wissen, dass sie es hier auch wieder werden: Die jungen Veteranen sprechen ueber ihre Dehnungsstreifen an Bauch und Huefte. Wie schnell man zehn Kilo zunehmen kann. Wie lange zehn Kilo draufbleiben!
Mittaegliche Essensausgabe: "Meals Ready to Eat", die "Em-aoh-riehs", wie die saechsischen Mitkombattanten zu sagen pflegen. US-Militaerfutter in wasserdichter brauner Verpackung. 2.600 Kalorien, haltbar gemacht fuer die Ewigkeit. In unseren braunen Feldrationen, den MREs, befinden sich Chicken Terriyaki, Boneless Pork Chops, Spaghetti Bolognese. Erdnussbutter, Cracker, Sue§igkeiten minderer Qualitaet. Relativ ungenie§bar alles. Dick eingeschwei§te Breinahrung in rund 25 Sorten, erhitzbar mit Hilfe eines beiliegenden Chemiekalienmixes. Dieser reagiert mit ein paar Wassertropfen zu einem Plastikofen im Handformat.
Unser taeglich Mittagessen: eine Tagesration. Fuer "High Performance Military Personnel". Maenner, die taeglich im Panzer sitzen, Rammstein hoeren und von Falludscha bis Kabul Adrenalin schwitzen. Nicht fuer uns, denen Sport verboten ist: keine Stunde physical training, wie die Soldaten es taeglich machen.
Trotzdem sind auch die Soldaten dick, vor allem ihre Hintern. Ich bekomme Angst und beschlie§e, fast gar nichts mehr zu essen. Ein paar unserer Leute haben von den Soldaten aufgeschnappt, dass diese MRE-Erhitzerchemikalien auch eine einfache Bombe ergeben koennen.
Tag 9
Einige C.O.B.s haben es gewagt, sich ueber das Essen zu beschweren. Ansage beim Meeting: Wer sich ueber das "gekochte" Essen beschwert, bekommt fortan dreimal am Tag MREs. Jetzt meckert keiner mehr. Unser Busfahrer bietet an, fuer uns einkaufen zu gehen. Fuer ein Kilo €pfel verlangt er drei Euro.
Tag 10
Tratsch ist beliebter Zeitvertreib. Paerchenvermutungen ueberall. Die Frauen kuemmern sich nicht mehr allzu sehr um die Amis, die kriegen sie sowieso kaum zu Gesicht. Es sind Original-Burkas eingetroffen, ueber denen frau das Miles tragen muss. Unter der Burka traegt frau einen langen rosafarbenen Wickelrock, natuerlich ueber der Hose. Aus den Maennern sind mittlerweile echte Paschtunen geworden: weite leichte Hosen, schoene lange Hemden in Beige, Hellblau und Hellbraun und der sieben Meter lange original afghanische Turban machen Spa§. Die Juengeren tragen keinen Turban, sondern ein kleines Kaeppi mit funkelnden Strasssteinchen und sehen aus wie schlecht gecastete, aber perfekt kostuemierte Laiendarsteller aus "1001 Nacht".
Eine lesbische Frau bildet sich ein, von einer Kollegin "durch anma§endes Stoehnen unter der Dusche" sexuell belaestigt zu werden. Sie verbreitet diese Information durch das ganze Dorf. Auch wei§ sie bereits, welche Maedchen wie viele Kondome dabei haben. Woher wohl?
Wir produzieren unglaublich viel Muell. Staendig neue Pappteller bester Qualitaet, staendig neue Styroporbecher, immer neues Plastikbesteck. 2.000 Soldaten, 350 C.O.B.s, 2 Tellermahlzeiten pro Tag (MREs essen die meisten gleich aus den Tueten). Wie viele US-Basen gibt es weltweit?
Amuesant: Ein aelterer Herr ist zum Beaufsichtigen der Muelltrennung abgestellt worden. Er versucht, diese den GIs in rudimentaerem Englisch zu erklaeren. Die GIs checken nicht, was unser deutscher Muelltrennungsbeauftragter von ihnen will. Sie wuehlen dennoch brav nach ihren Ketchupverpackungen im Biomuell. Wenn der Muell dann allerdings getrennt ist, kommt er wieder ins amerikanische System: alles in eine Tonne. Niemand wei§, warum.
Tag 11
Man hat uns in Teams eingeteilt. Einige sind ins "Role Player Cell" gekommen. Dort uebt man UNO-Beauftragter oder Internationale-Delegation-Spielen und kommt erst waehrend der letzten zehn Tage, genannt "X-days", ins Spiel. In einer anderen Liga - unbemerkt vom Geballere - scheint auch internationale Diplomatie geuebt zu werden.
Nicht so bei uns in Qalat: Zehn von uns fahren taeglich zu Checkpoints und sind afghanische Reisende, deren Autos und Koerper nach Waffen durchsucht werden. Als reisende afghanische Familie wird man oft getoetet, da die Checkpoint-Soldaten sehr gereizt und aggressiv agieren. Staendig rechnen sie mit einer Attacke aus dem Auto heraus, mit einer Autobombe, mit illegalen Waffen. Wir sollten eine Familie sein, die partout nicht aus dem Auto rauswill, da zu viele schutzbeduerftige Frauen dabei waren und drau§en nur maskierte Soldaten mit ihren Knarren vor unserer Windschutzscheibe herumfuchtelten. Einer der GIs zerstoerte symbolisch ein Autofenster und zerrte uns heraus.
Besonders gruselig sind Checks im Dunkeln, wenn nur Nachtsichtgeraete benutzt werden, die ganze Stra§e voll von militaerischem Gefaehrt und Stacheldraht ist und Hubschrauber ueber dem Checkpoint zur Landung ansetzen. Mein Mann sollte abgefuehrt werden. Ich wollte hinterher, als der Hubschrauber zehn Meter ueber mir flog. Wind, Staub, "Fucking shit!" bruellende Soldaten. Stolperte ueber meine Burka. Wurde erschossen. Da die Miles oefter nicht funktionieren, bruellt der Erschie§ende den zu Erschie§enden in so einem Fall aus einem Meter Abstand mit vorgehaltenem Maschinengewehr an: "Bang! Youre dead, stupid motherfucker."
Aus unserer Mitte sind fuenfzehn †bersetzer, genannt linguist oder translator, ausgewaehlt worden. Die Linguisten bekommen US-Uniformen und muessen den ganzen Tag ueber, oft auch bis nachts, an den Checkpoints stehen. Die Checkpointfahrer hingegen haben den ganzen Tag lang kaum etwas zu tun. Sie sitzen auf einer Wiese, zusammen mit den GIs, die niemals die Motoren ihrer gro§en Jeeps abstellen. Stundenlang verpesten sie die Luft, waehrend Soldaten und C.O.B.s schlafend auf den Einsatz warten.
Endlich Mittagsschlaf auf einer Wiese und kein Supervisor weit und breit! Selbst die Chefs der "Privates", die Sergeants, doesen friedlich. Schraeg links von der Wiese haben sie ein Hoehlensystem gebaut. Hier rattern Blackhawk-, Apache- und Cherokee-Hubschrauber den ganzen Tag, diverses gepanzertes Camouflagegefaehrt belagert, es steigt Rauch auf aus den Hoehlen, und achtzehnjaehrige ehemalige Dealer und Schulabbrecher ueben "Bin Laden im Hindukusch fangen": Handgranate rein und mit vorgehaltener Knarre stuermen. Wie sie es aus den Videospielen kennen, wie in den TV-Werbespots fuer die US Armee, die genau auf diese €sthetik setzen.
Tag 12
Gespraeche mit Soldaten stimmen traurig - ich fuehle, warum es uns verboten wurde. Auf der Checkpoint-Wartewiese bleiben interkulturelle Diskussionen nicht aus, und manch ein Amerikaner versteht den Sinn unserer Worte nur sehr schwer. "Alle sagen, es ginge nur um …l, aber es geht mir um Freedom und Democracy. Oder findet ihr es richtig, Frauen einzusperren? Euch haben wir doch auch befreit!"
Besser leise sein. Politische Gespraeche und solche ueber religioese und kulturelle Differenzen sind naemlich: sehr streng verboten. Ein anderer geht in den Krieg, weil es die Tradition seiner Familie ist. Und drei andere erklaeren ohne Scham, dass sie aus solch abgefuckten Drogen-Prostitutions-Vater-unbekannt-Verhaeltnissen kommen, dass das Militaer die einzige Chance war, sich von der kriminellen Clique abzuseilen. Der Vierte erzaehlt, dass er frueher Drive-by-Shootings gemacht hat - er hat wahrscheinlich schon vor seiner Zeit bei der Armee getoetet. Der Fuenfte kommt gerade aus dem Irak, will unbedingt zurueck und spricht begeistert vom erhebenden Gefuehl, Muslime mit dem Maschinengewehr zu toeten: Er sei "85 Percent Israeli".
Tag 13
Die lesbische Frau hat sich beim "Pro-C.O.B" ueber sexuelle Belaestigung beschwert. Die vermeintliche Belaestigerin habe ihr einen Klaps auf den Po gegeben. Nun muss die Belaestigerin zu Harry - und die Petzende auch. Sie hat, obwohl sie selbst ehemalige Supervisorin ist, "eine Hierarchieebene uebergangen", sie haette zum Supervisor und nicht zu seinem Chef, dem Pro-C.O.B., gehen sollen. Beide Frauen werden in die am weitesten voneinander entfernten Doerfer umgesetzt. Fuer sie kommen Neue, die in anderen Doerfern nicht klarkamen.
Ein sehr junger Berliner ist beim streng verbotenen Fotografieren von militaerischen Situationen geschnappt worden. Er muss sofort die Sachen packen und zum Bahnhof Parsberg. Er wurde gewarnt: "Pass auf, dass du keinen Besuch vom MAD bekommst." Wie passt man auf so etwas auf?
Tag 14
Heute hat mir eine Frau erzaehlt, dass ein Soldat ihr an den Hintern gefasst hat. Da sie ihn mag und gerne in den USA leben moechte, freut sie sich darueber. Aus den Lautsprechern unserer Moschee ruft nun fuenfmal taeglich ein Muezzin "Allahu akbar". Die Jungs muessen dann immer in die Moschee gehen oder beten, wo sie gerade sind. Die meisten machen alberne Gymnastik. Ein tuerkischstaemmiger Junge macht nie mit und zischt: "Dafuer kommen alle in die Hoelle."
Tag 15
Der Qalat-Dorfalltag: Nach dem Fruehstueck, gegen sieben Uhr, fahren die †bersetzer weg. Die anderen haben gegen elf Uhr das erste Mal bereit zu sein. Auch wenn dann oft die Anweisung kommt, dass es vor 13 Uhr nicht losgeht. Da man den ganzen Tag lang nicht zurueck in die Baracke darf, hat es nur gut, wer eine Schlafallianz gegruendet hat. Schlafen ist verboten, wer erwischt wird, fliegt, man muss Schmiere stehen! Raeume, um sich abzulegen, und alte, dreckige Schaumstoffmatratzen gibt es in den halb fertigen Haeusern genug. Die meisten Haeuser sind nicht beheizt, dafuer aber mit vielen †berwachungskameras bestueckt.
In der freien Zeit lernen die Disziplinierten fuer die Uni, andere spielen Karten, doesen oder lesen. Alle sprechen gerne ueber Sex und Drogen. In der langen Pause erzaehlen uns ein paar Amis, sie seien Dealer gewesen, mit sechzehn, im frueheren Leben. Jetzt sind sie achtzehn und neunzehn. Einer vermisst seine Katze zu Hause in South Carolina. Daheim schlaeft sie nachts auf seinem Bauch. Er zog vor dreizehn Monaten, noch mit siebzehn, zu Hause aus, direkt nach Hohenfels. Bald geht es aber weiter: in unbestimmtes Kriegsgebiet.
Drei Stunden nach Ende der Pause geht es weiter: Kurz bevor die Soldaten einmarschieren, muessen wir im Dorf umherlaufen und "Dorfleben" spielen. Da ist die US Armee! Alle Burkas ins Haus! Die Maenner bekommen in unserem laut Briefing "US-freundlichen" Dorf variable Aufgaben. Auf die GIs zulaufen, sie an den Haenden halten, Tee mit ihnen trinken wollen, Zigaretten abschwatzen. Die Paschtunen reden deutsch mit den Amis und muessen so tun, als ob sie kein Englisch verstehen, es sei denn, ein "translator" ist gerade dabei. Wenn die Amis gerade von uns rausbekommen wollen, wo die Waffen versteckt sind, knallen "Terroristenschuesse" aus Hinterhalten.
†bersetzer sterben oft zuerst. Wer getroffen wird, darf sich fuer die Dauer der †bung nicht mehr bewegen. Pech hat, wer zu Beginn einer anderthalbstuendigen Lane im Regen, im Dunkeln, auf offener Stra§e abgeschossen wird. †bersetzer, komischer Job, sowieso: Als Strafe dafuer, dass man gut englisch spricht, muss man fast so hart wie die Soldaten ackern.
Oft kommen diese Tapferen erst gegen Mitternacht zurueck in die Baracke, durchgefroren, muessen leise sein, kein Licht anmachen, wollen in den ollen Containern duschen und dann: gibt es kein warmes Wasser mehr. Troestlich: Es war schon morgens alle, nachdem 66 Soldaten, die jetzt im kosovarisch-afghanischen Puff wohnen, duschen waren.
Tag 16
Hab einen der Foerster getroffen und ein illegales Plaeuschchen mit ihm gehalten. Er findet oft tote Hirsche ohne Kopf im Wald, Amerikaner moegen deutsche Hirschgeweihe. Schlimm, aber nicht so schlimm, befindet er, denn Rotwild gibt es hier genug. Sehr schlimm findet er, oft in den entlegensten Gegenden …llachen und unglaublich viel Plastikmuell entdecken zu muessen. Und ueberall diese unexplodierte Munition, von der man nie wei§, ob es nur Attrappen sind. Dann sagt er mir, dass ein Humvee im Gelaende einen Liter stinkendes Dieselgemisch pro Kilometer verbraucht.
Seit die Frauen meist weggeschlossen werden, sind unsere jungen Maenner, nach bester afghanischer Tradition, koerperlicher im Umgang miteinander geworden. Anfangs fanden sie die Regieanweisung noch bloed, jetzt sieht man manche auch in freier Zeit Arm in Arm laufen und spielerisch raufen (nur Letzteres ist verboten).
Tag 19
Jetzt ist alles noch haerter geworden. Permanentes Geballere. Rote Blitze, Rauch, es regnet in Stroemen, wer erschossen wurde, bleibt drau§en liegen, bekommt eventuell eine Pappe von aufmerksamen Mitkombattanten uebergeworfen und eine Zigarette daruntergesteckt. Die meisten rauchen oder essen permanent. Bei einer Verhaftung sehe ich schwarze Saecke, so gro§, dass ein Menschenkopf reinpassen wuerde. Ich frage einen Sergeant nach der Bewandtnis. Er antwortet mehrfach, dass er keine Ahnung hat, wovon ich rede.
Tag 21
Drei Einsaetze pro Tag, wir haben 24 Stunden Bereitschaft. Und immer mehr Soldaten, ueberall. Auch italienische, die besonders brutal vorgehen. Angst haben wir vor naechtlichem Einsatz. Wenn die Maenner festgenommen werden, muessen sie schon mal zwanzig Minuten lang mit dem Gesicht zur Wand hocken, mit hoch erhobenen Armen. Das liebt keiner.
Bislang mussten wir nur einmal zum Proben des Feueralarms aus den Betten. Da wurde klar: Die Kifferjungs haben sich ihre kleine Flucht nicht verbieten lassen. Die Clique von sechs war komplett stoned und panisch bei der Evakuierung, zum Glueck sind drei Aufpasser fuer ueber hundert Leute nicht genug. Hinter der Moschee kann man gut "Feierabend machen", wie sie das Rauchen nennen. Die Russen knutschen lieber in der Moschee mit Maedchen, denen sie immer die internationale Lagerwaehrung geben: Zigaretten.
Tag 22
Einige passen nicht mehr in ihre Hosen. Eine Frau aus Ostdeutschland glaubt, dass ihr Schlafsack "spontan eingelaufen" sei, weil er ihr zu klein geworden ist. Es ballert Tag und Nacht, und irgendwann muesste, statistisch betrachtet, auch mal einer der vielen Hubschrauber abstuerzen. Vor dem Schlafen nicht daran denken. Noch vier Tage.
Tag 24
Das erste Geld soll schon auf unseren Konten eingetroffen sein. Die Stimmung steigt, die Zivilgesellschaft wird wieder greifbar: Morgen gehts nach Hause! Doch dann: kommen die †bersetzer zurueck, die die X-days ueber bei und mit den Soldaten gelebt haben.
Ein liebenswuerdiger langzeitarbeitsloser Ossi braucht Betreuung und Gespraech, das er bei mir sucht: Er habe in einem 80-Mann-Zelt mit vielen Irak-Heimkehrern schlafen muessen, alle seien sie, naja, nicht Moerder, haetten aber schon getoetet, heroisierten ihre Taten permanent und lautstark. Der 45-Jaehrige hatte die ganze Zeit ueber Angst vor seinen Zeltgenossen. Staendig liefen irgendwo Fernseher, zwei Kanaele, einer mit Werbung fuer die Army und einer fuer Sport. Nirgends eine Bibel. Was das fuer ein Land sei, ueberlegt er, in dem 19-Jaehrige keinen Alkohol trinken duerfen, aber fremde Menschen in †bersee erschie§en sollen. Das Schlimmste fuer ihn war eine Nacht, in der Gefaengnis trainiert wurde. Die ernannten Aufseher, normale Teeniesoldaten, bastelten sich Schlagstoecke und drohten den Teenagerkollegen, die im offenen Gefaengniszelt bei Flutlicht an die Betten gefesselt waren. Die Stimmung muss sehr aggressiv geworden sein. Demnaechst wird es eine Rotation geben, bei der vierzehn Tage lang nur Gefaengnis trainiert wird. Auch nach Stunden des Sprechens zittert er immer noch am ganzen Leib. Da keine Frau zu Hause auf ihn wartet, sehnt er sich nach einem starken Drink.
Letzter, letzter, letzter Tag!
Heute! Beim Aufwachen um kurz vor fuenf denke ich an eine alte Tonbandaufnahme aus dem Englischunterricht: "Thank God almighty, were free at last!" und strahle vor mich hin. Fruehmorgens teilt die US Army Urkunden fuer "Besondere Verdienste" aus. An †bersetzer und an Maenner, die Dorfpolizei gespielt haben. Die hatten Spielzeugknarren und olle Bundeswehruniformen und sind stolz damit herumschawaenzelt, die ganze Zeit. Auf den Urkunden steht, dass ihre Arbeit von der US Armee sehr hoch geschaetzt wird, da sie geholfen haben, das Training fuer "Enduring Freedom" zu einem militaerischen Erfolg zu machen. Frauen werden nicht geehrt.
Packen, Bus beladen, elf Uhr Versammlung auf der Tech-Site. Keine Rede, kein Wort des Dankes. Dafuer eine (schlampig durchgefuehrte) Gepaeckdurchsuchung, weil zu viele Kostueme abhanden gekommen sind.
16 Uhr, endlich, der Bus in die Freiheit! Alle haben MREs im Gepaeck, damit die Freunde daheim erfassen koennen, was man essen musste. Strenges Alkoholverbot auf der Rueckreise. Das Gras der Jungs ist alle. Auf der ersten Raststaette werden Bier, Sekt, Wein und Filterzigaretten gekauft. Der zunaechst lamentierende Busfahrer krakeelt nun, dass er alle Alkoholtrinker an Optronic melden muss. Die dann nie wieder einen Job bekaemen. Grund: Auf der letzten Heimfahrt bekamen sich zwei betrunkene Supervisoren in die Haare und der Kopf des einen flog wegen Aggression des anderen in den Busfernseher. Doch der Fahrer wird konsequent ignoriert. 320 Kilometer bis Berlin. Freedom, finally, enduring!
Posted by jaz at 26.10.05 16:26